Mit den Sammlungen „Haus der Deutschen Kunst“ und „German War Art Collection“ (GWAC) verfügt das Deutsche Historische Museum (DHM) über zwei Kunst-Konvolute aus der Zeit des Nationalsozialismus in seinem Bestand. Von der Reichskanzlei wurden für die Ausstattung von Repräsentationsbauten und Behörden des „Dritten Reichs“ in den Jahren 1937 bis 1944 auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen im Haus der Deutschen Kunst in München hauptsächlich Gemälde erworben. Nach 1945 wurden sie von den Besatzungsmächten sichergestellt. Als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs ist die Bundesrepublik Deutschland der Eigentümer der rund 750 Werke.
Die Werke der GWAC wurden ab 1941 von Künstlern an der Front oder später im heimischen Atelier geschaffen. In erster Linie handelt es sich um Grafik, aber auch Gemälde. Sie kamen in deutschen Armee-Museen bzw. militärgeschichtlichen Sammlungen, in Kasinos und Kasernen der Wehrmacht zum Einsatz. Außerdem wurde die Kunst zu erzieherischen und kulturellen Zwecken auf Ausstellungen in Deutschland, Belgien, Frankreich, Norwegen, Italien, Österreich gezeigt. Nach dem Krieg sammelten die Amerikaner die Werke auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens ein, um die NSDAP und ihre Organisationen zu zerstören und militaristische und nationalsozialistische Propaganda zu unterbinden. Die Werke wurden in die USA geschickt. Inzwischen befindet sich der Großteil wieder in Deutschland.
Das Seminar setzt die kritische Befragung beider Konvolute, die im SS 2022 begonnen wurde, anhand einer neuen Auswahl an Beispielen fort. Was wissen wir über die Künstler? Lassen sich biografische Angaben und weitere Werke finden? Gibt es ein Œuvre vor 1933 und nach 1945? Was ist auf den Gemälden dargestellt? Lassen sich Bezugspunkte zu eingeführten Malerei-Gattungen, Themen und Motiven finden? Inwiefern manifestiert sich die nationalsozialistische Ideologie in den Werken? Gibt es zeitgenössische Vergleichsbeispiele im Ausland?
Gemeinsame Besuche des Gemäldedepots des DHM erlauben das direkte Objektstudium, auf dessen Grundlage die Teilnehmenden Perspektiven auf die Gemälde entwickeln, die ihre Eigenheiten, Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede charakterisieren. Das Seminar möchte dazu anregen, Qualitätsbegriff und Kanon der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts kritisch zu reflektieren. Welche Erkenntnisse sich aus der Auseinandersetzung mit den Sammlungen für den musealen Umgang mit „Kunst im Nationalsozialismus“ gewinnen lassen, steht ebenfalls zur Diskussion.
Seminar: Kunst oder historisches Zeugnis? Malerei aus der Zeit des NS im Depot des DHM
Dr. Andrea Meyer in Kooperation mit Dr. Sabine Beneke, Sammlungsleiterin für den Bereich Kunst-Gemälde und Skulpturen am Deutschen Historischen Museum für Studierende des Masters Kunstwissenschaft an der TU Berlin, WS 22/23